Internationales Steuerrecht / DBA

Internationales Steuerrecht und Wesen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA)

Durch grenzüberschreitende Betätigung entstehen in der Regel Abgrenzungsfragen zum Steuerzugriff eines Staates auf die erwirtschafteten Einkünfte. Der Steuerpflichtige gerät in den Hoheitsbereich verschiedener souveräner Staaten mit eigenem Besteuerungsrecht für ihr Gebiet.

Der Staat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, fordert Steuern auf das Welteinkommen des Steuerpflichtigen (Wohnsitzbesteuerung, unbeschränkte Steuerpflicht; siehe dazu weiter unten).

Zusätzlich wollen aber auch die Staaten, in dem der Steuerpflichtige tätig geworden ist, auf die in ihrem Hoheitsgebiet verwirklichten Tatbestände Steuern erheben (Quellenbesteuerung, beschränkte Steuerpflicht; siehe unten).

Dieses Nebeneinander führt zu einer Doppelbesteuerung. Das Steuerrecht des Ansässigkeitstaates enthält in der Regel Vorschriften, die Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu mildern (z. B. Steuerfreistellung, Anrechnung von Auslandssteuern).

Der Umfang einer Quellenbesteuerung ist nicht nur für die Verteilung des Steueraufkommens auf In- und Ausland von Bedeutung, sondern auch für den Steuerpflichtigen selbst:

Ist der Auslandssteuersatz höher als der Inlandssteuersatz, bedeutet die Steuererhebung im Ausland eine Mehrbelastung für den Steuerpflichtigen. Wäre dagegen der Auslandssteuersatz niedriger, hätte der Steuerpflichtige ein Interesse daran, dass seine Einkünfte dort der Quellensteuer unterliegen in Verbindung mit einer Steuerfreistellung im Inland.

Da nationale Vorschriften eine Doppelbesteuerung nicht zwangsläufig und in allen Fällen vermeiden, schließen viele Staaten untereinander sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen ab.


Das Internationale Steuerrecht ist daher komplex und erfordert die Berücksichtigung von drei Aspekten:

  • das Unternehmenssteuerrecht des Herkunftlandes mit Vorschriften, die im Allgemeinen nicht auf Unternehmen zur Anwendung kommen, die keine grenzüberschreitenden Aktivitäten haben;
  • das Steuerrecht des ausländischen Staats, in dessen Hoheitsbereich diese Aktivitäten entfaltet werden und das somit auf das Unternehmen Anwendung finden kann; und
  • die Wechselwirkung zwischen dem Herkunfts- und Auslandsstaat sowie die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen.

Im Folgenden geben wir etwas mehr Details zu den oben angesprochenen Besteuerungsweisen des Internationalen Steuerrechts.


Doppelbesteuerung

Im Rahmen eines nationalen Steuergesetzes kann der Staat die Besteuerung grundsätzlich an zwei Bindungselementen anknüpfen: es muss eine persönliche oder eine sachliche Bindung zwischen dem zu Besteuernden und dem Staat geben.

Eine persönliche Bindung erfolgt über die Gebietszugehörigkeit, wie z.B. Staatsangehörigkeit, Sitz, Wohnsitz, Ort der Geschäftsleitung etc. Bei diesen Formen wird von einer Besteuerung nach dem Nationalitätsprinzip und nach dem Wohnsitz- oder Ansässigkeitsprinzip gesprochen. Wird die Besteuerung auf persönliche Merkmale gestützt, hat dies in der Regel die unbeschränkte Steuerpflicht zur Folge (Besteuerung des Welteinkommens).

Eine sachliche Bindung erfolgt durch Erwirtschaften von Einkommen oder die Belegenheit von Vermögen im Inland.  Diese Form wird Besteuerung nach dem Quellen- oder Ursprungsprinzip genannt. Die sachliche Zugehörigkeit löst in der Regel beschränkte Steuerpflicht aus, beschränkt auf die Einkünfte aus diesem Staat (daher auch: Territorialitätsprinzip).

Aufgrund der Anwendung dieser verschiedenen Prinzipien in den Staaten kann es zu Doppelbesteuerung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts kommen, dazu zwei Beispiele:

  • O hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien. Er bezieht Einkünfte aus Österreich. Großbritannien besteuert die Einkünfte nach dem Wohnsitzprinzip in Österreich fällt gleichzeitig Quellensteuer an. Aus dem Zusammentreffen von unbeschränkter Steuerpflicht in Großbritannien und beschränkter Steuerpflicht in Österreich resultiert eine Doppelbesteuerung.
  • S hat eine Betriebsstätte in Irland. Über diese bezieht er Einkünfte aus Großbritannien oder hält dort sein Vermögen. Irland und Großbritannien besteuern beide entsprechend nach dem Quellenprinzip. Aus beschränkter Steuerpflicht sowohl in Irland als auch in Großbritannien resultiert eine Doppelbesteuerung.

Nationale Möglichkeiten zur Vermeidung von Doppelbesteuerung

Der Wohnsitzstaat allein kann eine Doppelbesteuerung allgemein dadurch vermeiden, dass die Steuer, die in dem anderen Staat entstanden ist, entweder gänzlich freigestellt wird (Freistellungsmethode) oder auf die inländische Steuer angerechnet wird (Anrechnungsmethode), diese beiden Methoden sind international vorherrschend. Daneben gibt es noch die Methoden des Steuerabzugs, der Steuerpauschalierung und des Steuererlasses.


Die Vermeidung von Doppelbesteuerung im Abkommensrecht

Doppelbesteuerungsabkommen sind völkerrechtliche Verträge und gehen als Spezialnorm den nationalen Steuergesetzen vor. Ihre Entstehung und Wirkungen bestimmen sich nach dem innerstaatlichen Verfassungsrecht und nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23.05.1969.
Das Abkommen wird in der Regel zwischen zwei Staaten abgeschlossen, die ihr eigenes hoheitliches Besteuerungsrecht anpassen im Hinblick auf die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte zwischen den beiden Vertragspartnern. Ziel des Abkommens ist die Vermeidung von Doppelbesteuerung, aber auch die Vermeidung von Steuerflucht.
Die Abkommen bestimmen nicht, welches nationale Recht zur Anwendung kommt, sondern vielmehr, inwieweit in bestimmten Konstellationen der Konkurrenz von Besteuerungsnormen beider Vertragsstaaten diese Normen zugunsten des anderen zurück treten oder modifiziert werden. Das Ob und Wie einer Besteuerung richtet sich also nach nationalem Recht, das DBA setzt dagegen Grenzen gegen die nationale Steuererhebung. Ein DBA setzt immer nur Schranken gegen die nach nationalem Recht bestehenden Rechtsansprüche eines Staates, begründet aber niemals Rechtsansprüche.
Schliessen zwei Staaten ein Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung miteinander, gilt dieser Vertrag nur zwischen den beiden Vertragsstaaten. DBA sind grundsätzlich individuell. Die OECD hat jedoch ein Musterabkommen mit Kommentierung entworfen, an dem sich nahezu alle neueren DBA zwischen Industrieländern orientieren. Folglich bestehen wesentliche übereinstimmende Grundstrukturen in den DBA.


Wirkungsbereich eines Abkommens

Die folgenden Punkte sind zu klären, wenn ein Unternehmen sich auf das Abkommen berufen will, um sicher zu stellen, dass der Wirkungsbereich des Abkommens den in Frage stehenden Geschäftsvorfall oder das in Frage stehende Einkommen abdeckt:

  • Hoheitsbereich: ein DBA findet nur Anwendung auf die Hoheitsgebiete, die es abgeschlossen haben.
  • Wirksamkeitsdatum: ein DBA wird erst zu einem festgelegen Datum gültig.
  • Einbezogene Steuern: ein DBA bestimmt die Steuerarten, auf die es Anwendung finden soll.
  • Ansässigkeit: die Vorzüge eines DBA können prinzipiell nur von einem Ansässigen in einem der Vertragsstaaten in Anspruch genommen werden.
  • Identifizierung des relevanten Einkommensartikel: Manche Einkunftsarten können von mehr als einem Artikel des DBA behandelt sein. Die Hierachie dieser Artikel in ihrer Anwendung ist heraus zu finden.
  • Allgemeine Mißbrauchsbekämpfungsvorschriften: ein DBA kann allgemeine Vorschriften enthalten, die seine Anwendung einschränken (“Limiation on Benefits”).
    Manche Länder, wie Deutschland schränken die Anwendung eines DBA auch nach nationalem Recht ein (§ 50d EStG).
  • Spezielle Mißbrauchsbekämpfungsvorschriften: spezielle Vorschriften können die Anwendung eines bestimmten Artikels auf einen Geschäftsvorfall oder eine Einkunfstart ausschließen, ohne dass die Anwendung des DBA allgemein ausgeschlossen ist.

Interpretation eines Abkommens

Musterabkommen
Das erste Musterabkommen wurde im sog. Völkerbund (1920 – 1946) geschaffen. Seitdem hat die OECD daran gearbeitet, ein Musterabkommen zu erstellen, das die individuellen Abkommen zwischen den Mitgliedern der OECD standardisieren und harmonisieren soll und das von Zeit zu Zeit überarbeitet wird. Die meisten neueren Abkommen der westlichen Länder folgen dem OECD Standard, selbst mit Hoheitsgebieten, die selbst nicht Mitglied der OECD sind.
Es gibt andere Musterabkommen neben dem der OECD, im Wesenlichen das Musterabkommen der UN und der USA.
Das UN Musterabkommen ist für die Anwendung mit Entwicklungsländern konzipiert. Es zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass es mehr Besteuerungsrechte im Land lässt, aus dem die Einkunftsart stammt.

OECD Kommentar
Die OECD hat einen Kommentar zu ihrem Musterabkommen erstellt, der Anwendungsbereich, Begriffe und Bestimmungen im Abkommen erläutert und ebenfalls von Zeit zu Zeit überarbeitet wird. Die Steuerverwaltung der verschiedenen Staaten und deren Gerichtsbarkeit folgen im Wesentlichen dem Kommentar oder ziehen ihn zumindest als wesentliches Hilfsmittel hinzu; dennoch gibt es vereinzelte Abweichungen in Interpretationen und veröffentlichte „Vorbehalte“, in denen ein abweichendes Verständnis dargelegt wird.


Aufbau eines Abkommmens (OECD-Musterabkommen)

Das OECD-Musterabkommen ist in sieben Abschnitten aufgebaut:

Abschnitt I und II: Anwendungsvoraussetzungen, Geltungsbereich
Abschnitt III: Verteilungsnormen für die Besteuerung von Einkommen, gegliedert nach Einkunftsarten
Abschnitt IV: Verteilungsnormen für die Besteuerung von Vermögen, gegliedert nach Vermögensarten
Abschnitt V: Beseitigung der Doppelbesteuerung im Staat der Ansässigkeit falls die Verteilungsnormen keine abschließende Rechtsfolge vorsehen
Abschnitt VI: Diskriminierungsverbote, Verständigungsverfahren zwischen den beiden Staaten, Informationsaustausch
Abschnitt VII: Schlussbestimmungen (Inkrafttreten, Kündigung)


Die Vermeidung von Doppelbesteuerung im Abkommensrecht

Das OECD-Musterabkommen und darauf aufbauende DBA zielen auf eine Begrenzung der Quellenbesteuerung ab. Es finden sich dazu im Abkommen die folgenden Maßnahmen:

  • Aufrechterhaltung der Quellenbesteuerung
    Diese erfolgt im wesentlichen durch Anwendung des Belegenheitsprinzips. Die Besteuerung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen erfolgt nach dem Abkommen durch den Staat, in dem das Vermögen liegt.
  • Begrenzung der Besteuerungsgrundlage
    – Auf Unternehmensgewinne wird das Betriebsstättenprinzip angewandt. Nach diesem darf der Quellenstaat gewerbliche Einkünfte nichtansässiger Unternehmen nur besteuern, wenn sie in seinem Gebiet eine Betriebsstätte haben.
    – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit werden nach dem Arbeitsortprinzip nur dann im Quellenstaat besteuert, wenn die Arbeit in seinem Gebiet ausgeübt wird.
  • Begrenzung des Steuersatzes
    Die Begrenzung des Steuersatzes erfolgt bei Einkünften, die nur lose mit dem Quellenstaat in Verbindung stehen, wie bei Dividenden und Zinsen, bei einigen DBA auch bei Lizenzgebühren.
  • Aufhebung der Quellensteuer
    Diese soll erfolgen, wenn nur noch eine sehr lose Verbindung zum Quellenstaat besteht. Nach dem OECD-Abkommen soll dies bei Lizenzgebühren und Ruhegehältern erfolgen.

Im Wohnsitzstaat hängt die Behandlung der ausländischen Einkünfte davon ab, wie die Besteuerung im Quellenstaat bestimmt wurde:

  • Werden die eingeschränkten Voraussetzungen für eine Besteuerung im Quellenstaat nicht erfüllt oder diese beseitigt, unterliegen die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung.
  • Wird die Besteuerung im Quellenstaat in der Höhe begrenzt, erfolgt dennoch sowohl eine Besteuerung im Quellenstaat als auch im Ansässigkeitsstaat. Es erfolgt eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer nach nationalem Recht.
  • Wird dem Quellenstaat ausschliesslich das Recht auf Besteuerung zugewiesen, erfolgt nach dem Abkommen die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Freistellungsmethode oder alternativ die Anrechnungsmethode.

DBA-Klauseln zur Missbrauchsbekämpfung

Doppelbesteuerungsabkommen können verschiedene Regeln enthalten, um zu verhindern, dass die Anwendung des Abkommens weder zur Nichtbesteuerung von Einkünften noch zur ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen führt. Die Ausgestaltung der Regeln besteht z. B. in den folgenden Klauseln:

  • Subject-to-tax Klausel
    Einige DBA enthalten ausdrückliche Besteuerungsvorbehalte, die die Freistellung von Einkünften von einer Besteuerung im anderen Vertragsstaat abhängig macht. Die Klausel kann sich auf alle Einkünfte beziehen oder auf bestimmte Einkünfte beschränken. In der Regel bezieht sich diese Klausel auf den Ansässigkeitsstaat. Die Freistellung der Einkünfte in diesem Staat ist von der Besteuerung der betreffenden Einkünfte im Quellen- oder Tätigkeitsstaat abhängig.
    Vereinzelt wird diese Klausel auch auf den Quellen- oder Tätigkeitsstaat angewandt, wenn dieser die Ermäßigung oder Freistellung nur unter dem Vorbehalt der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat gewährt.
  • Remittance-base Klausel
    Nach dem nationalen Recht mancher Vertragsstaaten werden bestimmte Einkünfte nur dann der Besteuerung unterworfen. wenn sie in den Vertragsstaat transferiert oder dort bezogen worden sind (siehe remittance-basis-Besteuerung in UK, Guernsey und Irland). Für solche Fälle sehen einige DBA vor, dass der Quellenstaat eine Steuerfreistellung oder Steuerermäßigung nur gewährt, soweit die Einkünfte in den anderen Vertragsstaat tatsächlich transferiert oder dort bezogen wurden und damit faktisch der dortigen Besteuerung unterliegen.
  • Switch-over Klausel
    Diese Klauseln werden vereinbart zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen, Doppelfreistellungen oder einer niedrigen Besteuerung, die ihre Ursache in Qualifikationskonflikten haben. Danach kann der Ansässigkeitsstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Anrechnungsmethode anstelle der Freistellungsmethode anwenden. In Fällen von Doppelbesteuerung ist jedoch Voraussetzung, dass keine Einigung im Verständigungsverfahren erreicht werden konnte.

Resümée

Ein Unternehmen, dass sich grenzüberschreitend betätigt, sieht sich einer Vielzahl von Rechtsordnungen konfrontiert, die erhebliche Unterschiede in den Regeln der Quellenbesteuerung aufweisen. Jeder Staat entscheidet unabhängig und unterschiedlich darüber, welche Sachverhalte er einer Steuerpflicht unterlegen will, die ein Steuerausländer in seinem Hoheitsgebiet verwirklicht hat. Das Vorliegen eines DBA mit dem entsprechenden Tätigkeitsstaat bietet eine gewisse Rechtssicherheit im Hinblick auf die insgesamten Steuerfolgen.
Für jeden einzelnen Fall ist die sorgfältige Planung ausländischer Quellenbesteuerung und ihr Einfluss auf die jeweilige inländische Besteuerung unerlässlich im Rahmen einer soliden Internationalen Steuerplanung.